Die Höhlenkirchen von Apulien

 

Im 8. Jahrhundert, zur Zeit des Bilderverbots, entstand in den Höhlen Apuliens eine regelrechte Untergundzivilisation. Hier eine Auswahl der schönsten Höhlen und Felsenkirchen in Matera, Gravina, Altamura, Massafra, Mottola, Monopoli.

 


Höhlenkirche in der Lama d`antico
Höhlenkirche in der Lama d`antico

Die Beziehung zwischen Mensch und Höhle ist uralt. Die Höhlen dienten seit der Urzeit ( und inn Apulien bis in die 1950er Jahre) als Wohnraum, als Kultraum und als Grabstätte. Asketen, Mönche und Gottsucher haben sich zu allen Zeiten überall auf der Welt zu Askese und Eremitage in Höhlen zurückgezogen, in die Einsamkeit, Dunkelheit und Ungestörtheit, vielleicht um dort -> das innere Licht zu finden. Höhlen galten auch als Eingang in das Totenreich bzw. die Unterwelt. Sowohl diese Funktion, als auch die Tatsache, dass sie in das unbekannte Innere der Erde hineinführen, gab Anlass, sie und ihre Inhalte mit Sagen und Legenden zu verbinden.

 

Höhlenmalereien sind das älteste Zeichen, dass Menschen sich ihres Tuns bewusst wurden. Heute geht man davon aus, dass sie zunächst ihre Träume malten und dass die Malereien im Rahmen von Kulthandlungen und Initiationsriten von Bedeutung waren.

Die Ikonen in den Felskirchen in Apulien entstanden in der Zeit des byzantinischen Ikonoklasmus. Unter Ikonoklasmus versteht man die Zerstörung heiliger Bilder oder Denkmäler der eigenen Religion, insbesondere im Christentum. Beim Byzantnischen Bilderstreit zwischen der orthodox-katholischen Kirche und dem byzantinischen Kaiserhaus während des 8. und 9. Jahrhunderts ging es grob gesagt um den richtigen Gebrauch und die Verehrung von Ikonen. Den Streit gewannen schließlich die Ikonodulen (Ikonenverehrer), aber zuvor flüchteten viele Mönche  in die Höhlen von Apulien.

 

Matera und die Cripta del pecato originale

 

Das auf einer karstigen Hochebene gebaute Matera ist berühmt für seine Altstadt, die zu großen Teilen aus Höhlenwohnungen, den sogenannten Sassi, besteht. Hinter den Häuserfassaden aus maurischen Elementen, Barock und Renaissance verbergen sich noch zahlreiche Höhlen, die seit der Frühzeit bewohnt waren. Aus der Bronzezeit stammt auch das ausgeklüglte Bewässerungssystem aus Rinnen, Tunneln und Zisternen.

 

Bis in die 1950er Jahre waren die etwa 3000 Höhlenräume noch von ca. 15.000 Menschen bewohnt. Die Sassi waren nicht nur Wohn- und Schlafraum, sondern auch Stall für die Tiere. Es gibt an die 100 Höhlenkirchen, in denen nicht immer nur zu einem christlichen Gott gebetet wurde, z.B. die Felsenkirchen San Pietro Barisano, Cappuccino Vecchio, Cappuccino Nuovo und die Chiesa di Santa Maria dell' Idris oder auch Madonna de Idris genannt ( mitten in der Stadt). Am berühmtesten ist die Cripta del pecato originale ( die Krypta der Erbsünde), auch sixtinische Kapelle der Basilicata genannt. Dargestellt ist der Sündenfall mit anderen Genesis-Szenen und einem Meer an roten Blumen. Ich finde sie wirkt so sinnlich wie ein Gemälde von Chagall. Hier Bilder der Crypta:-> webseite Cripta del Peccato Originale

 

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Gravina

 

Gravina kann wie Matera auf eine sehr alte Geschichte zurückblicken. Das Gebiet ist seit dem Altpaläolithikum besiedelt. Die wichtigsten Überreste stammen aus dem Neolithikum seit 5950 vor Christus. Zuerst von den Griechen besiedelt, dann von Rom besetzt, dann von den Westgoten und Vandalen. Die Bevölkerung zerstörte auf der Flucht vor den Besatzern das bewohnte Zentrum auf dem Hügel von Botromagno und zog in die darunter liegende Schlucht, wo sie zu den bestehenden Höhlen weitere Behausungen hinzufügte.

 

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Cripta Santuario Madonna della Stella

 

Die Kirche wurde ursprünglich als vorchristliche Kultstätte genutzt, wie die an den Wänden geschnitzten Tierfiguren bezeugen. Das ist der Komplex, der wahrscheinlich einem heidnischen Ahnenkult der Fruchtbarkeit gewidmet war, der später vom Marienkult der christlichen Kirche überlagert werden sollte.

 

Informationen zu Besichtigungen der Höhlenkirchen -> Seite für Tourismus Gravina

 

Weitere Felsenkirchen (chiese rupestri) innerhalb der Altstadt sind San Michele delle Grotte, Chiesa rupestre di San Basilio und Chiesa rupestre di Sant’Andrea. San Michele delle Grotte wurde zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert aus dem Tuffstein gehauen. Die Kirche ist fünfschiffig mit drei Altären. Eintrittskarten und Führung erhält man über die Touristeninfo an der Piazza Benedetto XIII, 17.

 

-> Fotos und Infos zu einer Minitour ( ca. 2,5 Stunden / 12 Euro)

 

Führungen werden auch angeboten von  -> gravina sottoterranea

 

 

Altamura: Grotta di Lamalunga

 

Das Besucherzentrum Lamalunga liegt im Nationalpark Alta Murgia, 3 km von der Stadt Altamura entfernt. Die Ausstellung dreht sich rund um das Phänomen Karst, um das Wissen über die Umwelt der Alta Murgia und die Höhlenforschung sowie die Aktivitäten, die zur Entdeckung der Höhle führten, in der das fossile Skelett des Uomo die Altamura aufbewahrt wird.1993 kletterte ein kleines Forscherteam hier in etwa 8 Metern Tiefe in ein kleines Höhlensystem. Sie fanden nicht nur Tierknochen, die bewiesen, dass hier Hirsche von bis zu 4 Metern Größe lebten, sondern auch das Skelett des „Mannes von Altamura“. Es handelt sich dabei um das am besten erhaltene Skelett, das von einem ca. 100.000 Jahre alten Menschen jemals gefunden wurde. Ausgehend vom Besucherzentrum, das in der Masseria eingerichtet ist, sind Ausflüge zum Eingang der Grotta dell'Uomo, zur Grotta della Capra, zum Pulo ( größte Doline Apuliens), zum Parco della Mena möglich.

 

-> Webseite Besucherzentrum

 

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Massafra und die Madonna della Scala

 

Massafra, auch bekannt als Theben Italiens, liegt auf einem Felsen zwischen zwei Schluchten: der Schlucht von San Marco und der Schlucht der Madonna della Scala. Die Schlucht von Madonna della Scala ist vier Kilometer lang, ca. 40 m tief und 30 bis 50 m breit. Sie birgt zahlreiche ehemalige Wohnhöhlen, etwa 30 Felsenkirchen und mehr als 600 verschiedene Pflanzenarten, darunter viele Heilpflanze. Massafra wird auch das Land der Magier genannt. Es heißt, ein Zauberer namens Gregurio und seine Tochter Margharitella wohnten in der Felssiedlung von Madonna della Scala.

 

Archäologische Funde zeigen, dass die Höhlen Massafras bereits im Paläolithikum genutzt wurden. Vom 8. bis 16. Jahrhundert entwickelte sich hier wiederum Leben in Höhlen als Folge der Ikonoklastischen Verfolgung von Byzanz, der Zerstörung von Bildern und dem Verbot der Ikonenmalerei. Viele Mönche, die in den Gravinen von Massafra Zuflucht suchten, kamen vom Balkan und aus Kleinasien. Im Spätmittelalter dienten die Höhlen dann als Zuflucht vor Piraten und Invasoren.

 

Im Gebiet um Massafra findet man bis heute zahlreiche Spuren von Kunst- und Kultgegenständen sowie eine Vielfalt architektonischer Stile, ähnlich wie in Kapadozien, Serbien und anderen Gebieten des mittleren Orients. Eine von vielen Vermutungen über die Herkunft des Namens Massafra lautet: Massa-afrorum, Wohnung der Afrikaner.

 

Zu den bekanntesten der ca. 30 Felskirchen, auch byzantinische Krypten genannt, gehören außer der Bona Nova die Krypta der Candelora aus dem 12. Jahrhundert, die Krypta von San Antonio Abate unter dem alten Krankenhaus, entstanden aus der Zusammenlegung des Ostritus mit dem lateinischen Ritus. Sie gilt aufgrund der zahlreichen Malereien als Pinakothek des Hochmittelalters. Auch in der Krypta von San Leonardo befinden sich gut erhaltene Fresken, darunter die der Deesis (Fürbitte) in der Apsis und eine erhaltene Ikonostase, eine mit Ikonen geschmückte Wand mit drei Türen. Ebenfalls sehenswert: die Krypta von San Marco.

 

Die Wallfahrtskirche Madonna della Scala ist keine Felskirche. Sie ist über 125 Stufen erreichbar und wurde von 1729 bis 1737 auf einer alten Kapelle in der Nähe der Ortschaft Madonna della Scala gebaut, in der sich noch ca. 200 Behausungen aus der Jungsteinzeit befinden. Vom Kirchplatz aus ist die Felskirche Bona Nova zu bewundern, die reich an Felsmalereien ist. Zu den bekanntesten Motiven gehören die Jungfrau der Bona Nova und die des Christus Pantocrator. Mit Christus Pantokrator, Christus als Weltenherrscher,  ist ein Typus der Ikonographie gemeint, der kennzeichnend für die byzantinischen Kunst ist und meist in griechisch-orthodoxen und russisch-orthodoxen Kirchen zu finden ist.

Im Dorf Madonna della Scala befindet sich außerdem die sogenannte Grotte des Zyklopen und die Apotheke des Magiers Gregorio mit einem Komplex von 12 Grotten und 100 Nischen.

 

Genauere Auskünfte über Führungen erhält man im Tourismusbüro auf der Piazza Garibaldi.  http://www.massafraturismo.it/

 

Bilder und einen italienischen Artikel über das Santuario und das Dorf Madonna della Scala findet ihr hier auf dem Blog Imaginette Mariane.

 

 

Mottola

 

Auch vom benachbarten Mottola aus lassen sich zahlreiche Felsenkirchen besichtigen. Eine der bekanntesten ist die von San Nicola, die aufgrund ihrer Malerei des Giudizio Universale als sixtinische Kapelle der prähistorischen Zeit bezeichnet wird. Es ist eine dreischiffige Kirche, deren Wände mit Fresken aus dem 11. bis 14. Jahrhundert dekoriert sind. An der hinteren Wand in der Apsis befindet sich die Szene des Cristo Pantacratore in Deesis. Die Tour dauert zweieinhalb Stunden und startet an der Krypta von Sant` Angelo vorbei an San Nicola und der Kirche San Gregorio.

 

Eines der atmosphärischsten Videos, das ich finden konnte, zeigt die ->Höhlenkirche Sant´Angelo.

 

Höhlenkirchen in Monopoli

 

In und um Monopoli sollen sich 12 Höhlenkirchen befinden, lese ich im Reiseführer. Auf dem Areal des botanischen Garten > Lama degli Ulivi ein gutes Stück außerhalb von Monopoli gibt es zwei Höhlenkirchen (die chiesa rupestre di Iacovella und die chiesa rupestre San Cecilia, zwischen 1000 und 1200 n.Chr.). Auch hier sollte man einen Tag vorher reservieren, erfahre ich im Touristenbüro in Monopoli.

Eine weitere soll sich in der Nähe des Friedhofs von Monopoli befinden. Kurz vorm Friedhof sehe ich auch ein Schild "chiesa rupestre" aber dann verliert sich die Spur mal wieder. In Monopoli selbst stolpere ich dann zufällig mitten in der Altstadt in die cripta rupestre Madonna del Soccorso aus dem 11. Jahrhundert ( Via San Domenico).

 

Insgesamt acht Höhlenkirchen und - krypten werden auf der > Webseite der Stadt Monopoli aufgeführt. Wenn sie vielleicht auch nicht so spektakulär sind wie die Höhlenkirchen von Massafra und Mottola, einfacher zu finden sind sie sicherlich.

 

Lama d`Antico bei Fasano

 

Zwischen Savelletri und Fasano befindet sich die Lama d`Antico, in der es zwei Höhlenkirchen und mehrere Höhlenwohnungen gibt. Wunderschön inmitten von uralten Johannisbrot- und Olivenbäumen gelegen, könnt ihr hier geführte Touren machen oder allein durch den Park wandern.

 

Auf der Webseite der Lama dàntico steht seit September 2021 bis auf weiteres geschlossen. Bitte anrufen oder zur Not facebook Seite checken, was aktuell ist.

 

Öffnungszeiten der Lama d`Antico:

Im Sommer (16.Mai bis 30.September) jeden Tag von  16.00 - 20.00 uhr geöffnet.

 

Webseite ->Lama d`Antico. Parco Rupestre.

Die Höhle als symbolischer Ort

 

Sich in seiner Höhle verkriechen, das Bedürfnis sich in seine Wohnung, sein Bett zurückzuziehen wie ein Tier in seine Höhle. Sich in die Höhle des Löwen wagen, d. h. mutig ins Innere der Gefahr vordringen. Es kann kompensatorischen Charakter haben, z. B. bei Enttäuschungen, oder einen Konsolidierungsversuch auf äußeres oder inneres Chaos bedeuten. Im Prozess der Ablösung und Wiederannäherung tritt auf allen Entwicklungsstufen das Interesse an Höhlen auf. Der Rückzug in bzw. das Bauen von Höhlen kann psychoanalytisch als Regression im Dienste des Ichs verstanden werden, als Aktivierung schützender, bergender Objekterfahrungen, als Sehnsucht nach der (mütterlichen) Ursprung, als Rückzug in Unbewusstes zum Zwecke der Regeneration und Heilung -> Nachtmeerfahrt.

 


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Ikonen und Heilige

Matera