Kino aus Apulien und dem Mezzogiorno

 

Das apulische Kino erzählt authentisch vom Süden und ist im europäischen Vergleich wenig "weichgespült". Viele Regisseure knüpfen an die Traditition des Neorealismus an: sie erzählen von realen Lebensbedingungen, drehen mit Laiendarstellern an Originalschauplätzen. Leider landet kaum ein Film in den deutschen Kinos.

 

Hunderte von Filmschauplätzen in Apulien und ebenso viele Filmemacher, die in den letzten Jahren in Apulien gedreht haben, darunter Olmi, Martone, Paskaljevic ́, Ciprì, Vicari, Gaglianone, di Robilant, Rubini, Placido, Wertmüller und Winspeare, verzeichent der -> Filmtourismusguide der apulischen Filmkommission auf 158 Seiten ( pdf / englisch)

 

 

 

Mariangela Barbanente und Cecilia Mangini: In viaggio con Cecilia

 

Sommer 2012. Die beiden Regisseurinnen, Mariangela Barbanente und Cecilia Mangini, erzählen uns in einem Roadmovie,  wie sich Apulien verändert hat, ihr Herkunftsland und das zentrale Thema der Dokumentarfilme, die Cecilia Mangini in den 60er Jahren gedreht hat. Tarent, eine Stadt ist, die durch die Umweltverschmutzung durch das ILVA-Stahlwerk in die Schlagzeilen geriet. Ein Richter ordnet die Verhaftung des Eigentümers, Emilio Riva, an. Wie soll man sich die Industrie ansehen, die ein Land  aus seiner archaischen Dimension herausbewegt, es aber in eine grausame und widersprüchliche Gegenwart versetzt?

Cecilia Mangini , geboren 1927 in Mola di Bari, ist eine italienische Dokumentarfilmerin, Drehbuchautorin und Fotografin. Sie gilt als erste und bedeutendste italienische Dokumentarfilmregisseurin der Nachkriegszeit. Sie dokumentierte das Leben von Menschen am Rande der Gesellschaft, trostlose Vorstädte und die Reste vorindustriellen Traditionen auf dem Land. Bei einigen dieser Filme wirkte Pier Paolo Pasolini als Autor mit: Ignoti alla città und La Canta delle Marane sind von seinem ersten Roman Ragazzi di Vita inspiriert. In Stendalì ( 1959) werden Klagefrauen in Manginis Heimat Apulien gezeigt, die Griko sprechen, eine lokalen Minderheitensprache mit griechischen Elementen.

 

Danilo Caputo: Semina il vento

 

Eine junge Agrarwissenschaftsstudentin kehrt nach langer Abwesenheit in ihr Elternhaus in Apulien zurück, wo die von einem Insekt befallenen Olivenbäume keine Früchte mehr tragen. Vor der Kulisse des katholischen Landes verwebt der Film Modernität und Tradition, Rebellion und Konservatismus, Wissenschaft und heidnischen Glauben. Danilo Caputo stammt selbst aus einem Dorf in Apulien. Der Regisseur über seinen Film, mit dem er  eine Verbindung zwischen Unweltverschmutzung und psychischer Verschmutzung herstellen zeigen will:

 

"Psychische Verschmutzung ist meiner Meinung nach eine bizarre moderne Pathologie, die ungefähr so funktioniert: Man nimmt einen Menschen und überzeugt ihn, dass die Natur so genutzt werden kann, wie sie will. Dann lassen Sie ihn glauben, dass die bäuerliche Gesellschaft ein großer Fehler war und dass nur der industrielle Fortschritt ihn glücklich machen kann. Sie sorgen auch dafür, dass er alles vergisst, was er zu tun wusste, und dass er sich um die Arbeit in der Fabrik kümmert. Sobald er sich in einen Arbeiter verwandelt hat, wird er sich ein Leben ohne die Fabrik nicht mehr vorstellen können, trotz des Versprechens, das man ihm versprochen hat, nicht einzuhalten, und trotz der Opfer, die er bringen muss. Mit dem Kopf nach unten und dem Rücken zur Wand wird er alles akzeptieren, um seinen Platz zu retten. Er wird bereit sein, sein eigenes Land zu vergiften und sogar sich selbst zu vergiften.".

 

Savino Carbone: Libertà

 

Erster Dokumentarfilm von Savino Carbone,  Reporter und Fotojournalist aus Apulien, der sich seit langem mit Migration, Marginalisierung und sozialen Minderheiten in Apulien beschäftigt. Die Protagonisten seines Films Libertà ( Freiheit, Italien 2019, 30 min) sind aus dem Senegal und Nigeria geflohen sind, weil sie homosexuell sind.
Gefilmt in Bari im Jahr 2019, auf dem Höhepunkt der salvinischen Kampagne gegen  Migranten, werden sie konfrontiert mit einem Klima der Fremdenfeindlichkeit. Carbone folgt seinen beiden Protagonisten auf einer einsamen Reise der Selbstbestimmung, zwischen Erinnerungen an verlorene Lieben, Gefahren und Leiden.

 

 

Pippo Mezzapesa: "Il bene mio"

 

Pippo Mezzapesa (1980 in Bitonto, Apulien, geboren) drehte u.a. mehrere Dokumentationen über den FC Bari und den Bürgermeister von Bari, Antonio Decaro. Il bene mio (2018) ist sein zweiter Spielfilm.  Schauplatz des Films Il bene mio ist Provvidenza (Providenza heißt Vorsehung), ein Geisterdorf, das von einem Erdbeben zerstört wurde und nur noch von einem einzigen Einwohner bewohnt wird, Elia (Sergio Rubini). Elia weigert sich sein Dorf zu verlassen und während alle anderen versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass er die Vergangenheit vergessen soll, weigert Elia sich auch zu vergessen. Er wird zum Hüter der Erinnerungen, nicht nur seiner eigenen Erinnerung, sondern auch der aller anderen - ihrer Gegenstände und ihrer Orte.

 

Pippo Mezzapesa im Interview:

 

"Die Inspiration für den Film bezog ich aus der Leidenschaft für gespenstische Orte, für Orte die verlassen wurden nach Naturkatastrophen oder aus anderen Gründen. Ich wollte eine Geschichte erzählen von dem Letzten, der geblieben ist, der verankert ist in seiner Realität und der einen besonderen Blick auf Gemeinschaft hat. Gedreht wurde in Apice in Kampanien und Gravina in Puglia, Apulien. (Apice besteht aus einer in den 1980er Jahren gebauten Neubausiedlung und der bei einem Erdbeben zerstörten Altstadt). Obwohl Gravina keine Geisterstadt ist, gibt es auch hier viele verlassene Ecken. In Italien gibt es vieler dieser Geisterstädte. Im Film geht es, um eine Gemeinschaft die entfremdet ist, der es nicht mehr gelingt, sich selbst zu finden, weil sie sich nicht erinnert. Für mich ist das auch ein Spiegel ist für die Gesellschaft, in der wir heute leben, weil sie nicht mehr in der Lage ist, als Gemeinschaft dramatische Ereignisse zu bewältigen. Sehr wichtig war mir der Ton des Films, weil ich gerne auch dramatische und melancholische Geschichten auf leichte Art erzähle. Der Schauspieler Sergio Rubini ( der ebenfalls aus Apulien stammt) als Elias verkörpert diese Mischung aus Leichtigkeit und Nostalgie perfekt."

 

Alessandro Piva: "La capa gira"

 

Alessandro Piva ist zwar in Salerno geboren. Viele seiner Filme spielen aber in Apulien, so z.B. La capa gira (1999), Mio cognato (2004) und der Dokumentarfilm über einen Femizid Santa subito (2019).  La capa gira ist eine Milieustudie über Kleindealer in Bari. Ein Film, der in Bari gedreht wurde und in dem die Schauspieler ausschließlich den Dialekt aus Bari sprechen. Da selbst viele Italiener den Dialekt nicht verstehen wurde der Film in italienischen Kinos mit italienischen Untertieteln gezeigt.  Imdb meint: "einer jener wunderbaren italienischen Low-Budget-Arthouse Filme, die besonders Personen anspricht, die mit dem Ort und den dort lebenden Menschen persönlich vertraut sind."

 

La capa gira  benutzt optisch akustische Situationen für eine eine detaillierte Milieu- und Alltagsstudie. Das wohl häufigste Wort im Film ist mouviti ! ( beweg dich!), aber bis auf die rasante Autofahrt am Beginn des Films durch Bari passiert nicht viel. Der Film erzählt vom Stillstand, ironisch auf die Spitze getrieben, z.B in diesem Dialog der Protagonisten, die die meiste Zeit einfach nur kiffend herumsitzen. „Was würdest du machen, wenn deine Traumfrau vorbei käme.“ Antwort: „Nix. Ich bleib lieber auf dem Sofa sitzen, trink Bier und guck Fernsehen.“

 

"La capa gira" bedeutet soviel wie "mir dreht sich der Kopf", wie ich auf Nachfrage in Bari erfahren habe.

 

Edoardo Winspeare: "In grazia di Dio"

 

Edoardo Winspeare (geb. 1965 in Klagenfurt) lebt seit seiner frühesten Kindheit im Salento (Apulien). Ich habe 2 Jahre in Rom verbracht und da nie die Art von Cosmopolitanismus auf allen Ebenen der Gesellschaft beobachtet wie in zwei Tagen im Salento.“ erzählt Winspeare 2015 in einem -> Interview mit der N.Y. Times. Was den Salento aus seiner Sicht einzigartig macht, ist die lebendige Gegenwart seiner Geschichte: von den Bewohnern, den gegensätzliche Phenotypen Nordafrikas und Nordeuropas bis zum griechischen Dialekt, der noch heute in einigen Dörfern des Salento gesprochen wird.

 

Winspeare beschäftigte sich jahrzehntelang intensiv mit seiner Heimat, den gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Veränderungen in Apulien. Er gilt als Vertreter des „Neo-Neorealismus“ und war Mitbegründer der Band Officina Zoé, die für die Wiederbelebung der traditionellen Musik wie -> Pizzica und Tarantella sorgte. Zu seinen bekanntesten Filme gehören Pizzicata (1996), Sangue vivo (2000), Il miracolo (2003), In grazia di Dio (2014) und zuletzt The ark of Diperata (Originaltitel: La vita in comune, 2017).

 

Wie Winspeare`s frühere Filme ist The ark of Diperata ein Essay über die Probleme und Chancen Süditaliens: Arbeitslosigkeit, fehlende Zukunftsperspektiven, wachsende Entfremdung auf der einen Seite... Mut, Hitze, soziale Würde und Intelligenz auf der anderen. Es gibt Handlungsspielraum, und die Zukunft des Südens ist noch nicht besiegelt.

-> "The ark of Diperata" Trailer und Kritik ( engl.) cineuropa

 

Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise erzählt In grazia die Dio davon, wie drei Generationen von Frauen in Apulien ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Schauplätze des Films sind nicht die pittoresken Altstädte und Sandstrände des Salento, sondern verlassen wirkende Orte und die rauhe Felsküste. Gedreht wurde mit Laiendarstellern, die apulischen Dialekt sprechen. Die kleine Textilfabrik der Familie steht vor dem Aus. Die Chinesen produzieren billiger und die Bank will 20 Prozent Zinsen auf die aufgenommene Hypothek. Um die Schulden abzubezahlen, muss die Familie ihr Haus verkaufen. Die Familie, das sind: Großmutter Salvatrice, Mutter Adele, ihre Schwester Maria und Tochter Ina. Maria hat den Kopf in den Wolken und träumt von einer Karriere als Schauspielerin, Ina hat Probleme in der Schule und treibt sich am liebsten bis früh morgens mit Jungs herum. Adele wirft beiden Verantwortungslosigkeit vor, ständig wird gestritten und geschimpft. Als Ex-Mann und Bruder Vito bei einer Schmuggelfahrt erwischt und verhaftet werden, sind die Frauen endgültig auf sich allein gestellt. Zufluchtsort wird das kleine Grundstück der Großmutter auf dem Land, wo die vier Frauen sich fortan um den Gemüseanbau, ein paar Hühner und Kühe kümmern.

 

 „In grazia di Dio“ heißt soviel wie „in Gottes Gnade“. „Ein neues Leben“ lautet der profane deutsche Titel dieses Films. Er erzählt hier nicht die typische Geschichte von entfremdeten Städtern, die in der Idylle des Landlebens ihre Konflikte überwinden und ein besseres Leben beginnen. Die Konflikte verschwinden nicht und die Schulden sind erdrückend. Im Fernsehen wird von der Krise, LKW-Streiks und der Angst der Bevölkerung vor Lebensmittelengpässen berichtet.

 „Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“ fragt Adele Großmutter Salvatrice eines Tages. „Weil ich Vertrauen habe. Stein für Stein wächst die Mauer. Wir kommen durch.“ Stück für Stück stellen die Frauen sich den neuen Herausforderungen und halten sich mit Tauschgeschäften über Wasser: Gemüse, Eier, Hühner gegen andere Lebensmittel und Benzin. Mit langsamen Kamerafahrten durch die Olivenhaine und fast surreal wirkenden Bildern, in denen der Wind durch Bäume und Gräser streicht, macht Winspeare die Schönheit des Landes spürbar.

 

Sergio Rubini: "La Stazione" (1991)

 

Sergio Rubini, geb. 1959 in Grumo Appula in Apulien ist Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor. Als Schauspieler wirkte er in über 90 Filmen u.a. in: Die Affäre Aldo Moro, Fellinis Intervista, Der talentierte Mr. Ripley, Die Passion Christi, Handbuch der Liebe, Maria ihm schmeckts nicht ( ein deutscher Film, der in Apulien gedreht wurde), Mio Cognato, Il bene mio.

 

Als Regisseur drehte er 14 Filme, darunter das gefeierte und mit vielen Preisen ausgezeichnete Debüt "La stazione - Der Bahnhof" (1990). Der Film wurde fast ausschließlich in Apulien, im Bahnhof von San Marco in Lamis gedreht. Einige Szenen spielen im Geburtsort von Rubini, andere zwischen Apricena und Foggia. Eine Kritik zum Film findet ihr hier:

 

https://www.filmdienst.de/film/details/28264/la-stazione-der-bahnhof

 

Rubinis Filme sind oft eine Mischung aus Romanze, Krimi, Horror und Drama, von der italienischen Kritik als "voller Abenteuer, Unebenheiten und wohltuender Unordnung in der gewagten Mischung der Genres und Stile" charakterisiert. Sein aktueller Film "Il grande spirito" (2019) spielt in Taranto.

 

 

Carmelo Bene: "Nostra Signora dei turchi" (1968)

Das Arsena-Kino schrieb anlässlich einer Carmelo Bene Retrospektive:

 

Der 2002 verstorben Carmelo Bene ( geb. 1937 in Campi Salentina, Provinz Lecce)  zählte zu den größten vernachlässigten europäischen Autoren der 60er und 70er Jahre. In Italien und Frankreich als Provokateur eine Legende, kennt ihn darüber hinaus lediglich eine kleine Gruppe Theater-, Theorie- und Filmliebhaber.

In der kurzen Zeit zwischen 1968 und 1974 schuf Bene ein filmisches Œuvre von einer solchen audiovisuellen Komplexität, einer solchen Schönheit und gelegentlichen Perversion, dass die „Cahiers du cinéma“ seine Arbeit als „eine der radikalsten Entwicklungslinien des modernen Kinos“ beschrieben. 

Sein erster Langfilm war NOSTRA SIGNORA DEI TURCHI (1968) und erhielt den Spezialpreis der Jury in Venedig. Bene spielt selbst mehrere Rollen (einen Auftragskiller und sein Opfer, einen Mönch und einen Novizen). Eine Sequenz thematisiert die Invasion der Türkische Armee im 15. Jahrhundert in Apulien (Benes Geburtsort). Sein zweiter Film CAPRICCI (1969) erhielt bei seiner Premiere in Cannes sechzehn Minuten lange Ovationen.

 

-> mehr zu Carlo Bene gefunden auf der Seite des arsenal Berlin

 

Neorealismus: Kino der Sehenden nicht der Aktion

 

Noch ein paar Worte zum Neorealismus, der gewöhnlich durch seinen Inhalt, weniger durch seine Bildsprache beschrieben wird. Gilles Deleuze beschreibt den Neorelismus als ein Kino der Sehenden nicht der Aktion. Im klassischen (amerikanischen) Kino muss jede Einstellung die Handlung vorantreiben. Im Neorealismus passiert dagegen auf der Handlungsebene oft vergleichsweise wenig. Es ist voll von optisch-akustischen Situationen, wie Deleuze sie nennt. Optisch-akustischen Situationen haben eine Funktion der Hellsicht, die Fantasie, Kritik und Anteilnahme zugleich ist. Zuschauer werden dazu verführt, ihre Logik und Sehgewohnheiten zu vergessen und mit einem dritten Auge zu sehen.

 

Kaum zu einer Handlung fähig, reagieren die Figuren im Film nicht mehr. Sie registrieren. In Viscontis Ossesione sind sie von einer geradezu halluzinatorischen Sinnlichkeit besessen. Fellini treibt die Dekadenz bis an die Grenze des Erträglichen und lässt dabei eine unterirdische, außerirdische Welt zum Vorschein kommen. Kamerafahrten werden z.B. bei Fellini zum Mittel des Abhebens. (Ich denke auch an die Anfangsszene in Giuseppe Tornatores „Baaria“. ) Das vielleicht berühmteste und schönste Beispiel für eine optisch akustische Situation ist die -> letzte Szene aus Zabriskie Point, in der Michelangelo Antonioni in Zeitlupe zur Musik von Pink Floyd minutenlang die Explosion von Büchern und anderen Gegenständen zelebriert.

 

..am Ende wissen wir nicht, ob der glutrote Schimmer auf dem Auto der davonfahrenden Protagonistin tatsächlich den brennenden Trümmern eines in die Tat umgesetzten „Fuck you, America“, oder vielleicht doch nur der untergehenden Wüstensonne zuzuordnen ist – und das ist auch völlig egal. Denn Kategorien wie Traum und Realität, die sich unserem nach Verständnis und Logik schmachtenden Sachverstand stellenweise aufdrängen, sind für „Zabriskie Point“ vermutlich überhaupt nicht maßgebend.“  (filmstarts.de)

 

-> mehr über den Neorealismus im italienischen Kino

 

 


Verso Sud: Filme und Regisseure aus Süditalien

Und noch einige Filme , die ebenfalls an die Tradition des Neorealismus anknüpfen und von Süditalien erzählen ( das ist eine eher zufällige Zusammenstellung von Filmen und lange nicht vollständig ):

 

Emanuele Crialese: "Lampedusa" (Originaltitel: Respiro)

 

Crialese zog sich nach seinem Studium in N.Y. für sechs Monate auf die Insel Lampedusa  zurück, wo er als Fischer arbeitete und die Geschichte einer Frau hörte, die von den übrigen Inselbewohnern aufgrund ihres unkonventionellen und launischen Verhaltens für verrückt gehalten wurde. Aus dieser Geschichte heraus entwickelte Crialese die Idee zum Film. In der Hauptrolle: Valeria Golino. Bei den Filmfestspielen in Cannes erhielt der Film 2002 den Großen Preis der Semaine de la Critique sowie den Publikumspreis. ( Meine Meinung: Um längen besser als die französiche Serie "Die Frau aus dem Meer", mit dem man den Film thematisch ein bißchen vergleichen könnte.)

 

Für seinen nächsten Film " Golden Door" (2006) konzentrierte sich Crialese auf italienische Einwanderer in die USA. Der Film wurde bei den Filmfestspielen in Venedig 2006 mit den Silbernen Löwen ausgezeichnet.

 

"Terraferma" aus dem Jahr 2011 thematisiert die Migration afrikanischer Flüchtlinge, die über die Insel Lampedusa den Weg nach Europa suchen, und schildert auch die dadurch entstehenden Probleme der Inselbewohner.

 

Daniele Cipri: "E stato il figlio" 2012

 

Der Film  handelt von einer in armen Verhältnissen lebenden Familie aus Palermo, deren Tochter versehentlich bei einer Schießerei stirbt. Der Vater hadert daraufhin mit sich, vom Staat eine finanzielle Entschädigung für Mafia-Todesopfer anzunehmen. Der Film wurde in Brindisi ( Apulien ) gedreht und erhielt in Venedig eine Nominierung für den Goldenen Löwen,  einen Preis für die Kameraarbeit sowie eine Cinema-for-UNICEF-Erwähnung.

Die Dreharbeiten fanden in Paradiso (Piazza Antonio de Ferraris), Commenda (Posta) und Bozzano, in Mesagne, San Pancrazio Salentino und anderen Städten der Provinz Brindisi statt.

 

 Cipri arbeitete eine zeitlang mit Franco Maresco, der in Italien berühmt ist für seine kritischen und sarkastischen Film- und Fernsehproduktionen, zusammen. Sie inszenierten die dadaistische Kultserie Cinico TV. Ihr erster gemeinsamer Film war Der Onkel aus Brooklyn, 1995. Danach folgten weitere Produktionen, die den Kultstatus des Duos festigten. Der 1998 erschienene Film Totò, der zweimal lebte war der letzte italienische Film, der von der italienischen Zensur verboten wurde

 

2014 erschien der erste Solofilm Marescos: Belluscone – Warum die Italiener Berlusconi lieben, bei dem es um das Verhältnis von Staat und Mafia in Italien geht. Bei den 71. Filmfestspielen in Venedig wurde der Film mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

 

Pietro Marcello: "Bella è perduta" und "Martin Eden"

 

BELLA E PERDUTA (2015) ist eine mythische Parabel über Verfall und den Wert des vermeintlich Wertlosen. Regisseur Pietro Marcello aus Kampanien, hat seit 2004 mehr als acht Dokumentarfilme gedreht. Für "Bella è perduta" ließ sich von der italienischen Sagenwelt inspirieren und zeigt uns das heutige Italien in all seiner Zerrissenheit durch die Augen eines Büffels und eines Narren, -> Pulcinella.

 

Sein neuer Film heißt Martin Eden (2019) gedreht in Neapel. Martin Eden gilt als eines der größten Werke von Jack London. Bei den Internationale Filmfestspiele von Venedig 2019:

Nominierung für den Goldenen Löwen (Pietro Marcello) und Auszeichnung als Bester Darsteller – Coppa Volpi (Luca Marinelli).

" von den ersten Bildern an durchziehe eine seltsame Zeitlosigkeit das Geschehen, wodurch es schwer falle, die Bilder einer bestimmten Ära zuzuordnen. Unweigerlich suche man nach Zeichen, nach Kleidung, nach Ausstattungsmerkmalen, die den Film eindeutig dieser oder jener Ära zuordnen würden, doch vergebens.."  (Michael Meyns von der Gilde deutscher Filmkunsttheater). Das hat der übrigens Film mit Lazzaro felice gemeinsam.

 

Laura Bispuri

 

Sehr gefallen hat mir Figlia mia - Meine Tochter (2018) von Laura Bispuri. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein junges sardisches Mädchen, das  zwischen ihrer leiblichen Mutter ( rebellisch und unkonventionell ) und der Frau, die sie aufgezogen hat, (traditionell behütende Mutterfigur) hin und hergerissen wird.

 

mehr zu Pasolinis -> Das erste Evangelium Matthäus

 

-> Pointblank ( Italienisches Onlinemagazin für Kino )


Italienisches Kino bei der Berlinale 2020

 

Im offiziellen Wettbewerb der Berlinale 2020 liefen drei italienische Filme: Favolacce ( Silberner Bär bestes Drehbuch), Volevo nascondermi  ( Silberner Bär bester Schauspieler ) und Siberia. Außerdem zu sehen: Semina il vento ( aus Apulien) , Palazzo di Giustizia, Pinocchio, La casa dell’amore. Und nach der Berlinale hoffentlich alle Filme im Kino um die Ecke.

 

Foto: Berlin Friedrichshain
Foto: Berlin Friedrichshain
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