Wie wollen wir leben? Wie wollen wir reisen? Wenn wir feststellen, dass wir neue Wege gehen wollen und andere Lebensweisen kennenlernen möchten, ist das Reisen wie ein Aufbruch im Kleinen.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Konfrontation mit dem Fremden, hilft, den Mut und die Inspiration für Veränderung finden. Häufig fehlt uns dazu auch die Imagination: wie könnte ein anderes Leben überhaupt aussehen? Wichtigste Voraussetzung für eine Reise, an der wir wachsen können sind Orte und Menschen, die folgendes ermöglichen:
- die Wiederverbindung von Geist und Körper
- die Wiederverbindung von Mensch zu Mensch
- die Wiederverbindung von Mensch und Natur
Dafür müssen wir möglichst weg vom Massentourismus, hin zu Orten, die uns zum staunen bringen, uns langsam werden lassen und uns das Vertrauen in unsere Sinne wiedergeben. Hin zu Menschen und Gastgebern, die vielleicht schon ihre eigene Utopie verwirklicht haben, in jedem Fall aber Menschen, die ihre Türen öffnen, damit wir uns willkommen fühlen. Von da aus können wir los und auf Entdeckungsreisen gehen.
Seit meiner ersten Apulienreise 2014 hat sich einiges sichtlich verändert. Inzwischen boomt der Tourismus im Vergleich zu anderen Regionen Italiens. Bed & Breakfasts schießen jetzt in so mancher Altstadt wie Pilze aus dem Boden. Aber es gibt auch noch viele Orte abseits der Küste, in die sich kaum ein Tourist verläuft.
Gerald Hüther ist einer der bekanntesten Hirnforscher und Autor zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und Bestseller. In einem Interview über die Auswirkungen von Corona auf unser Denken, Handeln, Reisen und Tourismus betont er, dass der Mensch ein entdeckerfreudiges Wesen ist. Er wünscht sich für die Zeit nach Corona Verwandlungsorte , wo Reisende sich mit der Natur und anderen Menschen verbinden können, weil echte Verwandlung nur mit anderen gelingen kann. Wie könnten diese Orte aussehen? Warum reisen wir überhaupt? Ist das Reisen zu einer Ersatzbefriedigung verkommen? Was hat hat das alles mit Lohnarbeit, Ängsten und Identität zu tun? Wie könnten, müssen oder werden sich Urlaub und touristische Angebote verändern? Wie gelingt Transformation?
-> Gerald Hüther – Wie denkt ein Hirnforscher über Urlaub, Reisen & Tourismus in Zeiten von Corona?
"Wir können eine Welt akzeptieren, in der wir uns davor fürchten, einander näherzukommen. Oder wir können diese Pause dazu nutzen, um einen anderen Weg einzuschlagen in Richtung Wiedervereinigung, Ganzheitlichkeit, Wiederherstellung verlorener Verbindungen, Aufbau von Gemeinschaft und einer Rückkehr in das Netz des Lebens. "
( Charles Eisenstein "The coronation." März, 2020)
Die italienische non-profit Webseite " Italia che cambia" ( Italien im Wandel) stellt ihre Visionen eines zukünftigen Tourismus vor: "Tourismus bedeutet Reisen, Wissen, Verantwortung, Kultur. Ein Tourismus für alle, verantwortungsbewusst, ethisch, nachhaltig, gemacht von bewusst Reisenden und vorgeschlagen von einem Netzwerk von Betreibern, die in Werten, Image und operativer Synergie vereint sind." Italia che cambia erzählt, kartiert und vernetzt diejenigen, die einen positiven Wandel in Richtung größerer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher, sozialer, ökologischer und kultureller Gerechtigkeit bewirken. (Italia che cambia ist ein Verein und eine eingetragene Zeitung, mehr dazu hier -> Italien im Wandel)
Als Reiseplattformen, die die Visionen 2040 umsetzen, werden bei Italia che cambia aufgelistet:
Compagnia dei cammini ( Wandern, Wandern mit Hunden, Wandern mit Kindern, Segeltörns, Eselreiten, Trekking )
www.cammini.eu
Destinazione Umana (Destination Mensch) www.destinazioneumana.it
Movimento Lento ( Langsam reisen zu Fuß oder mit dem Fahrrad) http://www.movimentolento.it/it/
Viaggi e Miraggi (Verantwortungsbewusst reisen in Italien und der Welt) www.viaggiemiraggi.org
Eco Bnb www.ecobnb.it
Addiopizzo Travel ( Antimafiareisen, nur in Sizilien) www.addiopizzotravel.it
Die Idee von Destinazione Umana ist nicht zu fragen: wohin willst du reisen, sondern wen willst du kennenlernen? Die Reisen sollen dazu anregen, einen Weg der Veränderung und des persönlichen Wachstums einzuschlagen. Veränderungen machen uns Angst und geben uns das Gefühl, allein zu sein: Aus der Begegnung mit den Geschichten und Erfahrungen derer, die dies bereits getan haben, können wir den Mut schöpfen, unser Leben zu verbessern. "Wir lieben Italien, sein unendliches Erbe an Schönheit, seine abwechslungsreiche Natur, den unglaublichen Schatz antiker Traditionen, die wie Teile eines Puzzles unsere Einzigartigkeit ausmachen. Ziele weit weg vom Massentourismus, hin zu Orten mit authentischem und "menschlichem" Charakter. Kleine Dörfer, von Entvölkerung bedrohte Gebiete im Landesinneren Italiens, Länder, die ihre Türen öffnen, damit Sie sich wirklich willkommen fühlen." So heißt es in der Selbstdarstellung. Außerdem im Fokus stehen Reisen für Frauen. Für Apulien habe ich aktuell aber leider kein Angebot gefunden.
Ebenfalls auf der Plattform von Italia che cambia habe ich diese beiden Orte gelebter Utopien in Apulien gefunden: die antikapitalistische Kommune "Urupia" im Salento und das Ökodorf "Il giardino della gioia".
Il Giardino della Gioia ( Der Garten der Freude ) ist ein Ökodorf im Herzen des Gargano.
Das Dorf fördert einen Lebensstil, der die Natur, die Menschen, die natürlichen Kreisläufe und alle Wesen respektiert, in einer Vision des inneren Wachstums und der spirituellen Verwirklichung
durch einen Weg der Meditation und der Arbeit an sich selbst.
Es gibt zwei synergetische Gemüsegärten, 2 Komposttoiletten, ein Phytoreinigungssystem und ein Regenwassersammelsystem. Bei allen Projekten wurden so weit wie möglich lokale Naturmaterialien verwendet. Außerdem wurden etwa 200 Obstbäume gepflanzt, um die Oliven-Monokultur in einen reichen und vielfältigen, essbaren Garten umzuwandeln.
Der Garten ist offen für Besucher, die bereit sind, sich mit 5/6 Stunden Arbeit pro Tag (außer am Sonntag) zu beteiligen. Um im Garten leben zu können, muss man ein assoziiertes Mitglied werden
(Jahreskarte 15€) und die Regeln der Gemeinschaft akzeptieren.
Während des Sommers wird um einen täglichen Beitrag im Austausch gegen Essen und einen Schlafplatz gebeten, da es tagsüber zu heiß zum Arbeiten ist.
-> Webseite Giardino della Gioia
-> WWOOF vermittelt weltweit Freiwillige
in die ökologische Landwirtschaft und möchte Menschen verbinden, die einen naturverbundenen Lebensstil pflegen. Ihr arbeitet in der Regel ca. 6 Stunden pro Tag und erhaltet im Gegenzug freie Kost
und Logis. Ich habe es einmal ausprobiert und war begeistert. -> mein Erfahrungsbericht
Andere Netzwerke, die Hilfstätigkeiten im Ausland vermitteln, sind zum Beispiel:
Das italienische Sprach- und Kulturinstitut Porta d´Oriente bietet Italienischkurse im Salento ( Otranto, Lecce, Galiipoli) . Zum Angebot gehören auch Unterkünfte, geführte Touren, Kulturelles. Alle Infos auch auf deutsch, sowie ein Überblick über die schönsten Strände im Salento. -> Porta d´Oriente