Locorotondo hat es zu recht auf die Liste der schönsten Orte Italiens geschafft. Weltoffen und lebhaft zeigt sich der beschauliche Ort beim Lokusfestival im Sommer.
Locorotondo( runder Ort ) verdankt seinen Namen der kreisförmig angelegten Altstadt und liegt mitten im Valle d´Itria. Typisch für die Architektur Locorotondos sind die weißgekalkten Häuser sowie Spitzgiebeldächer aus grauen Kalkplatten (cummerse) und Ziegeln. Lokalhistoriker vermuten, dass Locorotondo eine antike griechische Kolonie gewesen ist, die schiffbrüchige Flüchtlinge des Troianischen Krieges gegründet haben könnten.
Leider war ich selten bei Sonnenschein in Locorotondo, aber ich finde selbst in der Dämmerung und im Nieselregen hat die kleine, verwinkelte Altstadt noch viel Charme. Scherzhaft nennen einige Bewohner die Via Nardelli, die die Altstadt umrundet, „lungomare“ (Seepromenade), obwohl das Meer fast 15 Kilometer weit entfernt ist. Von hier aus hat man bei schönem Wetter einen guten Ausblick auf die Hügellandschaft des Itriatals mit seinen typischen kleinen Mäuerchen und Trulli. Locorotondo liegt 410m über dem Meeresspiegel und selbst im Hochsommer soll hier angeblich ständig eine frische Brise wehen.
Die Winter in Apulien können bis in den März hinein überraschend feucht und kühl sein. Warme Regenkleidung ist unbedingt empfehlenswert. "Gemütliche Cafes" wie in Deutschland, in denen man länger verweilen möchte, um sich aufzwärmen, gibt es in Apulien kaum. Die Cafebars auch in Locorotondo sind eher so eingerichtet, dass man seinen caffè auf die Schnelle im Stehen an der Bar trinkt. Es gibt hier allerdings auch im Winter einen großen Wochenmarkt.
Lange Zeit hat es mich nicht besonders interessiert hat, welche historischen Gebäude in Reiseführern als sehenswert beschrieben wurden, aber das hat sich geändert. Auch wer wie ich am liebsten ziellos in den Altstädten umherschlendert und kein Freund von Sightseeingtouren ist, wird doch ein bißchen für den kulturellen Reichtum und die multikulturelle Geschichte Apuliens sensibilisiert.
In der Via Morelli befindet sich der Herrschaftspalast Palazzo Morelli, ein Beispiel für den Barock des 18. Jahrhunderts mit schmiedeeisernen Balkonen und einem reich verzierten Portal.
Die romanisch-gotische Kirche Madonna della Greca befindet sich am nördlichen Altstadtrand. Urkundlich erwähnt wurde sie erstmals 1520, sie ist aber viel älter und in ihr befinden sich Kunstschätze der Renaissance, wie das Polytichon Madonna delle Rose mit den Heiligen Lucia, Petrus, Paulus und Donatus und ein ein Relief des Heiligen Georg mit dem Drachen.
Die Mutterkirche (Chiesa Madre di San Giorgio, 1790-1825) im Herzen der Altstadt ist im Neoklassizistischen Stil des 16. Jahrhunderts erbaut und zeigt im Relief eine Abbildung des Schutzpatrons von Locorotondo St. Georg (San Giorgio), dem die Kirche auch geweiht ist. Das innere der Kirche verbindet neoklassische Architektur, Figurenschmuck der Renaissance und barocke Elemente, der Grundriss basiert auf einem griechischen Kreuz. Das Fest zu Ehren des Schutzpatron San Giorgio Martire wird am 23. April gefeiert.
Weitere Kirchen in Locorotondo sind: Die Kirche des Heiligen Geistes, die Kirche der Mater Dolorosa, die Kirche des Heiligen Nikolaus (17.Jahrhundert), die Kirche des Heiligen Rochus, die Kirche der Madonna della Greca (14.Jahrhundert).
Richtig was los ist im eher ruhigen Locorotondo beim Lokusfestival, das seit 2005 jeden Sommer stattfindet und inzwischen auch international bekannt ist. Das Locusfestival zelebriert Musik als universelle Sprache mit dem Ziel, geographische, sprachliche und soziale Grenzen zu überwinden. MUSIK DER VIELEN FARBEN ist das Thema für das Locus-Festival 2023. Inspiriert vom Titel eines klassischen Albums von Fela Kuti und Roy Ayers, wird das 19. Festival eine Reise durch Apulien im Sommer mit seinen unterschiedlichen Orten und Farben sein. Die Stadt Trani wird am 27. Juni den ersten Termin des Locus Festivals 2023 mit Simply Red ausrichten. Das Konzert in Trani wird die erste italienische Station der nächsten Tournee der legendären Band von Mick Hucnall sein, der einzige Termin in ganz Süditalien.
. -> Webseite Lokus festival 2024
Locorotondo ist auch ein bekanntes Weinanbaugebiet, aus dem ein hervorragender DOC-Weißwein stammt und der Ort ist idealer Ausgangspunkt für Ausflüge ins Itriatal, wo im Frühling schon Mandelbäume und Mohnblumen blühen. Diese Bilder sind alle im März entstanden. Wie man sieht - schon mehr als ein Hauch von Frühling, auch wenn es meist sehr frisch war.
Während eines Arbeitsaufenthalts in der ökologischen Landwirtschaft in Locorotond erfahre ich ein bißchen mehr über die Geschichte des Itriatals. Das Itriatal ist eine Hügellandschaft, die sich zwischen den Provinzen Bari, Brindisi und Taranto erstreckt. Vor einigen Jahrhunderten brach in Apulien eine Choleraepedemie aus, der viele Menschen zum Opfer vielen. Die Gutsbesitzer fanden nicht mehr genug Arbeitskräfte. Daher versprachen sie demjenigen, der 99 Jahren in ihren Diensten arbeiten würden, dass er ein kleines Stück Land behalten dürfte. Es mag uns heute merkwürdig vorkommen, aber damals wurde in Generationen gedacht. Die Trulli, die bis dahin als Vieh- oder Geräteschuppen dienten, wurden so zu Wohnhäusern der Bauern. Der Landbesitz machte Teile der Bevölkerung Apuliens relativ unabhängig von den Großgrundbesitzern. Weil es bis heute üblich ist, dass die Grundstücke unter den Kindern einer Familie aufgeteilt werden, scheinen sie immer kleinteiliger zu werden.
Gänzlich unberührte, wilde Natur findet man im Itriatal kaum, es ist eine Kulturlandschaft, die seit Jahrhunderten von Kleinbauern geprägt wird. (Übrigens gibt es im Italienischen zehn verschiedene Ausdrücke für "Bauer.")
Berühmt ist das Itriatal vor allem wegen der vielen Trulli sowie der Hauptsstadt der Trulli: Alberobello . Ein Trullo ( Mehrzahl: Trulli ) ist ein Rundhaus aus Trockenmauerwerk mit einem Kegeldach, auf dessen Spitze bisweilen ein symbolischer Schlussstein thront: ein Zippus, eine Kugel oder ein Symbol, das das Böse abhalten soll. Weil es sie nur in Apulien gibt, sind Trulli so etwas wie ein inoffizielles Wahrzeichen Apuliens geworden. Die ältesten Trulli stehen an der Costa Ripagnola in der Nähe von Polignano und stammen au dem 14. Jahrhundert. Erst ab Ende des 19. Jahrhunderts und nur im Itria-Tal zwischen Martina Franca, Alberobello, Locorodotndo, Cisternino und Ostuni entwickelte sich der Trullo zum festen Wohnsitz der bäuerlichen Familie, die sich in einer sogenannten Contrade zusammenschloss.
Manchmal gab nur eine Kochnische und Schlafkammer, nur einen Eingang und keine Fenster. Die Bauern führten in den Trulli ein einfaches Leben in enger Symbiose mit der Natur. Der Trullo wurde immer als ein Bauwerk betrachtet, das mit dem Land verbunden ist, sodass er nie als architektonische Lösung in der Stadt oder im Dorf verwendet wurde, mit der einzigen, sehr wichtigen Ausnahme von Alberobello, das von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt wurde.
- > mehr über die Geschichte der Trulli
Zwischen Locorotondo, Cisternino und Martina Franca befindet sich das botanische Konversatorium I giardini di Pomona, benannt nach der römischen Göttin der Baumfrüchte. Hier wachsen mehr als 1000 verschiedene Fruchtarten aus aller Welt, die zum Teil vor dem Aussterben gerettet wurden, z.B. 500 verschiedene Arten von Feigenbäumen z.B. aus Afghanistan, Bosnien, Frankreich, Portugal, Albanien, Israel und Italien. Außerdem Tafeltrauben, Süß- und Sauerkirschen, Pflaumen, Aprikosen, Mandeln, Felsenbirnen, Quitten, Maulbeeren, chinesische Jujubes, Ebereschen und Cornellkirschen, Kakis, Kiwis, Walnüsse, Pistazien und Haselnüsse in verschiedenen Formen und Größen.
Ich war selber nur im Winter hier. Das angekündigte Baumfest fiel damals leider ins Wasser, aber ich kann mir vorstellen, dass es im Sommer ein Paradies im wahrsten Sinne des Wortes ist.
Direkt auf dem Gelände des Konservatorioums könnt ihr auch Übernachten in drei sehr geschmackvoll, aber nicht protzig eingericheteten Trulli-Wohnungen oder dem preiswerten Hostel.
Locorotondo besitzt einen Bahnhof, der etwa 10 Minuten Fußweg von der Altstadt entfernt ist. Wem Locorotondo zu klein ist, der kann nach ->Ostuni oder Martina Franca ausweichen. Ostuni thront wie Locorotondo auf einem Hügel im Itriatal, allerdings mit Panorama-Blick auf die Adria. Die Stadt wird auch“ Königin der Oliven“ oder „Weiße Stadt“ genannt. Warum Ostuni so weiß ist, dazu gibt es verschiedene Therorien.
Die Ursprünge -> Martina Francas liegen wahrscheinlich im 10. Jahrhundert. Im Vergleich zu vielen anderen Orten Apuliens ist Martina Franca damit eher jung. Heute hat Martina Franca knapp 50.000 Einwohner und gilt als inoffzielle Kulturhauptstadt des Itriatals.