In Galatina schlägt das Herz der salentinischen Murgia. Mittags eher verschlafen, wird es abends in den Gassen der kleinen Stadt sehr lebhaft. Galatina ist eine beliebte Einkaufsstadt und liegt in einem Weinanbaugebiet. Nicht nur Lecce, Nardo und Martina Franca sind berühmt für ihre barocke Architektur, auch in Galatina gibt es viele imposante Barockfassaden.
Ich bin an diesem nachmittag nicht wegen der imposanten Kirchen, den 22 Palästen oder wegen der Bronzefigur Pupa nach Galatina gereist sondern, wegen der kleinen Kirche San Paolo, die so unscheinbar ist, dass sie gar nicht so leicht zu finden ist.
Die Kirche des San Paolo war in der Vergangeheit eine berühmte Kultstätte des Tarantismus, den noch heute viele mit Aberglauben, Exorzismus und Armut assoziieren. Wahrscheinlich mögen die Einwohner Galatinas nicht darauf reduziert werden, denn die Stadt hat ja viel mehr zu bieten. Als ich einen Polizisten nach dem Weg zu der Kirche San Paolo frage, erwidert er: " In der Chiesa San Paolo gibt es doch nichts zu sehen. Die Chiesa dei Santi Pietro e Paolo dagegen - die ist sehenswert."
Während der Feierlichkeiten am 29. Juni suchten Frauen, die scheinbar von der Tarantel gebissen worden waren, diese kleine Kirche auf. Sie baten den heiligen Paulus um Gnade, beteten und tranken Wasser aus dem Brunnen neben der Kirche. Der zwanzigminütige Film „La Taranta“ von - > Ernesto de Martino, indem Szenen aus der Kirche zu sehen sind, beschäftigt sich mit der volkstümlichen Tradition des Tarantismus, die ihren Ursprung im 8. Jahrhundert hat. De Martino zeigte, dass der Tarantismus, der seit dem 17. Jahrhundert als Krankheit der ungebildeten, abergläubigen Bevölkerung galt, eine durchaus wirksame Heilbehandlung seelischer Krisen durch Tanz, Musik und Farben war. Ende des 18. Jahrhundert begann der Kult des Heiligen Paulus die Reste des salentinischen Tarantismus zu zersetzen, weil die Kirche sich von dem Wiederaufkommen heidnisch-orgiastischer Kulte bedroht fühlte.
Heute steht auf einem Schild in der Kirche:" Es ist absolut verboten im Inneren dieser Kirche zu tanzen und/oder auf den Altar heraufzuklettern. Jede historische Erinnerung und Wachrufung des Tarantismus ist nur draussen möglich."
Die Kirche San Paolo wurde im 18. Jahrhundert gebaut und ist in den Palazzo Tondi integriert. Sie besteht aus einem einzigen Saal mit einem Gewölbe im Leccese-Stil. Über dem Altar hängt ein Gemälde von Francesco Saverio Lillo, das den Heiligen Paulus mit einem Schwert, einen Mann und eine Frau sowie einen Engel mit einem Buch darstellt.
(Corso Garibaldi 2).
In einem Teil des Stadtmuseums Pietro Cavoti) wird noch an den Tarantismus erinnert.Es gibt darin eine dem Tarantismo gewidmete Galerie mit Gemälden von Maestro Luigi Caiuli, dem künstlerischen Gedächtnis des Phänomens und den außergewöhnlichen Fotografien von Franco Pinna, der mit dem Anthropologen Ernesto De Martino zusammenarbeitete. Eine andere Abteilung des Museums ist der zeitgenössischen Kunst gewidmet, zu der auch der Bildhauer Umberto Palamà (1912/1995) gehört.
Il Museo civico "Pietro Cavoti" - Piazza Alighieri, 51, Eingang: piazzetta di via Cafaro.
-> mehr Infos zum Stadtmuseum und zu Gallatina, wo essen, wo schlafen ( webseite visit Galatina )
Es gibt ein berühmtes alljährlich stattfindendes Musikfestival, wo noch heute getanzt werden darf.
-> mehr zum berühmten Musikfestival La notte della Taranta.
An der Piazza Dante Allighieri in einem Brunnen befindet sich das Wahrzeichen Galatina´s: die Lampada senza luce (Lampe ohne Licht), die von den Einwohnern La pupa ( Die Puppe) genannt wird. Es ist ein weiblicher Akt aus Bronze des lokalen Künstlers Gaetano Martinez (1892-1951). Die Figur wurde zur Zeit des Faschismus bei der Biennale in Venedig ausgestellt. Einige meinen erkennen zu können, dass der Fuß der Pupa auf den Kopf eines Mannes tritt, bei dem es sich, im Stein verborgen, um das Bildnis von Benito Mussolini handeln könnte. Martinez war bekannt wegen seiner Sympathien für die Gegner des Regimes.
Die Porta Nuova, die wegen der darüber befindlichen Statue des Heiligen auch Porta San Pietro genannt wird, befindet sich in der Nähe des ältesten Teils der Stadt. Das Stadttor wurde mehrfach umgebaut und rekonstruiert; sein heutiges Aussehen stammt aus dem 18. Jahrhundert In der Mitte des Torbogens ist das Wappen der Stadt zu sehen.
Einer der 22 Paläste in Galatina, an dessen Namen ich mich leider nicht erinnere.
Eine der wichtigsten Kirchen des Landes ist die imposante "Chiesa dei Santi Pietro e Paolo" (Kirche der Heiligen Peter und Paul), die zwischen 1621 und 1633 erbaut wurde. Sie hat eine barocke Fassade, die auf zwei Ebenen gegliedert ist und mit einem Tympanon endet, das das Stadtwappen einrahmt. Die drei Eingangsportale wurden vom Bischof von Otranto Adarzo de Santander bei dem bekannten Bildhauer Giuseppe Zimbalo aus Lecce in Auftrag gegeben. Die Fresken zeigen Episoden aus dem Leben des Heiligen Petrus , die 1875 von dem neapolitanischen Künstler Vincenzo Paliotti gemalt wurden. Von besonderem Interesse sind die Gemälde der Fußwaschung von Serafino Elmo aus dem Jahr 1756, der Gang Jesu auf dem Wasser und die Erscheinung Christi vor dem Heiligen Petrus, die sich alle an der Gegenfassade befinden.
Die Karmeliterkirche wurde in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut. Die Fassade ist reich an barocker Dekoration und wird durch Nischen mit Statuen des Heiligen Elias, des Heiligen Elisa, der Heiligen Teresa von Avila und der Heiligen Maria Magdalena de' Pazzi belebt. Die Holztür, datiert auf 1745, ist ein Schnitzwerk des galatinischen Meisters Donato Costantino. Der Innenraum hat ein Fresko von Agesilao Flora aus Gallipoli aus dem Jahr 1915. Die Kirche zeichnet sich durch den imposanten Hochaltar aus dem 18. Jahrhundert aus, mit einem Gemälde der Madonna vom Berg Karmel. Rechts vom Hauptaltar befindet sich der Geburtsaltar des Herrn aus dem 18. Jahrhundert, der um 1736 von Mauro Manieri geschaffen wurde. Außerdem gibt es eine steinerne Weihnachtskrippe aus Lecce von 1650.
Der Kunstkritiker Vittorio Sgarbi kommentierte das Werk bei einem Besuch der Basilika im Jahr 2014, dem Jahr ihrer Bewerbung als UNESCO-Kulturerbe, mit den Worten
„Die Basilika von Galatina steht in Bezug auf die Fülle der Bilderzyklen der Basilika des Heiligen Franz von Assisi in nichts nach.“
Die Fassade der Basilica wurde im apulisch-romanischen Stil gestakte, der Innenraum besteht aus fünf Schiffen. Mauern, Säulen, Archivolten, Gewölbe und Fresken prägen die Kirche, die 1870 zum Nationaldenkmal und 1992 zu einer Basilika erklärt wurde.
Sie ist eines der bedeutendsten Bauwerke der italienischen Romanik und Gotik. Aufgrund der spektakulären Gemälde und Fresken wird die Basilika als eine der schönsten Kirchen Italiens bezeichnet. Sie wurde zwischen 1369 und 1391 auf Veranlassung von Raimondo Orsini del Balzo erbaut, um die Reliquie des Fingers der Heiligen Katharina von Alexandrien zu beherbergen, die er nach seiner Rückkehr von den Kreuzzügen nach Galatina brachte. Nach seinem Tod beschloss seine Frau Maria d'Enghien, das Gebäude vollständig mit Fresken auszustatten : Meister der giottesken und der sienesischen Schule sowie einen gewissen Franciscus De Arecio (Franziskus von Arezzo).
La Basilica ist von 8.30 - 12.30 und von 16.00 - 18.15 geöffnet. Sonntags von 16.00 bis 18.15. Piazzetta Orsini.
Ich selber hatte leider doppelt Pech: die Aussenfassade der Kirche wurde gerade renoviert und das Innere der Kirche war geschlossen. Avanguardie hat mir freundlicher Weise dieses Bild zur Verfügung gestellet. Avanguardie veranstaltet Wander- und Trekkingreisen sowie auch geführte Tagesausflüge schwerpunktmässig im Salento. Im Programm ist auch eine 4 tägige Pizzica- Reise. Dabei wird mit einem Koch aus dem Salento ein "Pizzicato"-Menü kreiert und mit einem professionellen Tänzer Rhythmus und Bewegungen der Pizzica erlent. Ein Musiklehrer wir über die Geschichte dieses Tanzes als Musiktherapie erzählen. Zwischen Lecce, Galatina, Melpignano, Nardò und Gallipoli. Nächster Reise-Termine: 1 Juni - 5. Juni 2023, nur in italienisch).
Es ist einer der großen Nachteile für Zugreisende in Apulien: einige Strecken werden nur sehr unregelmäßig befahren. Wenn man umsteigen muss und Wartezeiten für den Anschlusszug entstehen, hat man nur ein sehr kleines Zeitfenster zur Verfügung und das meist am Nachmittag, wenn Mittagsruhe ist ( 13.00 - 17.00 uhr). Dann sind nicht nur die Kirchen geschlossen, sondern fast alles. Daher wirkt Galatina auf den Bildern auch etwas ausgestorben, was es sicher nach 17.00 uhr nicht mehr ist.
P.S. : Der Erfinder der Pasticciotti ist angeblich ein Konditor aus Galatina namens Andrea Ascalone. Zu den traditionellen Füllungen der Pasticciotti gehören Creme und Ricotta, aber man findet auch ungewöhnlichere Füllungen wie Mandel, Pistazie, Sauerkirschen und oder Schokolade.
Der Barock ( potugiesisch barocco = unregelmässig) ist ein Stilepoche, die um 1600 den Manierismus ablöst. Kennzeichnend für den Barock ist die Überwindung statischer Momente zugunsten der Bewegung, die Bevorzugung plastischer Modellierung zugunsten der Fläche, die Dominanz farbiger Elemente gegenüber der abgrenzenden Linie in der Malerei und in der Architektur die Dominanz von Licht Schatten Kontrasten gegenüber gleichmäßiger Ausleuchtung. Der Barock entwickelte sich von Rom aus in ganz Europa aufgrund der Gegenreformation als Mittel zur Rekatholisierung der Menschen. Die prächtigen Reliefs in Kunst und Architektur, das Spiel aus Licht und Schatten, sollte die Seelen der Gläubigen zurückerobern und in die Kirchen locken, sie diente aber auch dem Adel zur Selbstdarstellung.
Der apulische Barock ist eine selbständige regionale Sonderform des Barock. Als typisch apulisch gilt ein Hang zu verspielten dekorativen Lösungen, Wandbezogenheit, Traditionalismus und eine Nähe zur klassischen Antike. Bewegte und monumentale Innenräume bilden eher eine Ausnahme, so z.B. Die Basilica di San Martino in Martina Franca, die Kathedrale von Monopoli oder die Chiesa del Carmine in Lecce. In Apulien dominiert ein wandbezogener Architekturstil, manche Portalformen stammen aus der islamischen Baukunst, die über das Castel der Monte Einzug in Apulien nahm. Überladen sind nicht die Fassaden der Gebäude, sondern vor allem die Kirchenaltäre. Der apulische Barock ist auch deshalb besonders, weil er auf eine Vereinheitlichung der Bauwerke ausgerichtet ist. So werden Städte wie Martina Franca, Nardo oder Lecce zu Gesamtkunstwerken.
Der Lecceser Kalkstein, der aus den Steinbrüchen im Salento ( z.B. In Maglie) gewonnen wird, ist besonders feinkörnig und honiggelb und gibt dem Lecceser Barock seine besondere Note. Da es in der Gegend um Lecce keinen Marmor und wenig Holz gab, wurden auch größere Heiligenfiguren in den Kirchen aus Pappmache gefertigt.
Renzo Buttazzo, ein international bekannter mediterraner Bildhauer, gründete 1986 das erste Versuchslabor für Stein aus Lecce und veranstaltet auch workshops. Er ist der Meinung, dass es an der
Zeit ist, Emotionen zu vermitteln, die in dieser technologisch überfüllten Welt in Vergessenheit geraten sind, "...und es ist wichtig, dass man den Atem des Steins kennt, um ihm zuhören zu
können...", indem er eine offene Werkstatt schafft, in der diese Empfindungen vermittelt werden können. Renzo war schon immer ein Verfechter des "Machens mit den Händen" und wie jedes Jahr wird
er in seinem historischen Atelier jeden willkommen heißen, der in seine Welt eintauchen möchte.
Während einer Sitzung oder eines Besuchs kann man die Geheimnisse der handwerklichen Arbeit kennen lernen, die von den Steinmetzen der Vergangenheit überliefert wurden.
Bei der Arbeit an einem persönlichen Block kann der Kursteilnehmer seiner Kreativität freien Lauf lassen.
- > webseite renzobuttazzo